From Russia with love

 

Ich sitz also gerade in Moskau in einem Flugzeug, Richtung Tadschikistan. Es fühlt sich alles sehr unwirklich an und als wäre ich schon ewig unterwegs. Halle und Deutschland sind grad ganz weit weg. Ich befinde mich irgendwo zwischen übermüdet und ganz normal. Der Tag ist schon ziemlich lang. Vor ziemlich genau zwölf Stunden bin ich am Franckeplatz in die Bahn zum Busbahnhof gestiegen. Dann war ich im Flixbus nach Berlin, in der S-Bahn (die sehr schwer zu finden war) und im Bus zu Flughafen Tegel. Da (am Flughafen, nicht im Bus) war ich ziemlich lange und auch ziemlich ernüchtert, denn ich fand den echt unübersichtlich und eng. Ich war auch zu früh dort und musste noch eine Stunde warten, bis ich einchecken konnte. Der Mann am Schalter war sehr nett und mein Gepäck war zum Glück auch nicht zu schwer. Voll perfekt gepackt!

Mein Reiseziel hat aber wieder Verwirrung ausgelöst. Fast so wie alle Apothekerinnen, die mit Wasserentkeimungstabletten erstmal nichts anfangen konnten, fragt er „Sie fliegen nach ... LBD. Wo ist denn das?“. Ich erkläre (Khudjand hieß früher Leninabad), mein Visum löst Verwirrung aus. Sie sagen dann immer „sto?“, kann das sein? Ein Mann redet Russisch mit mir, dann aber Deutsch. Alles klar, der Koffer sollte das alleine hinkriegen und ich muss ihn in Russland nicht einsammeln. An der Sicherheitskontrolle dann ein alter Mann, der aus irgendeinem Grund die ganze Zeit seinen Koffer vor das Tor stellt, als würde der gleich vom Laufband weggefahren werden. Sie erklären es ihm umständlich, dass er den tragen muss. Eine Minute später redet er aber auf Russisch auf mich ein und findet heraus, dass ich wohl auch nach Moskau fliege. Deshalb fragt er ab jetzt an jeder Wegbiegung, jedem Schalter und jedem Durchgang „Moskau, Moskau?“. Ich lächle komisch, nicke irgendwie und er freut sich. Er hat‘s auch tatsächlich ins Flugzeug geschafft.

In Berlin werde ich sentimental und emotional und sitze mit Tränen in den Augen im Flugzeug. Ich werde Halle ganz schön vermissen, aber hey, was sind schon sechs Wochen? Im Flugzeug neben mir sitzt eine Amerikanerin, aber wir unterhalten uns nicht. Ich glaube, im Flugzeug sind viele Russen. Ich tu einfach so, als würde ich Russisch verstehen und mach einfach das, was alle machen, wenn es eine Durchsage auf Russisch gibt. In der englischen Version verstehe ich genauso wenig, dachte ich doch es seien -20°C in Moskau. Es waren nur -2°C, der ganze Schnee sah aber sehr vielversprechend aus. Zwischendurch guck ich mir die Buchstaben in der Bordzeitung an. In Moskau dann versuche ich erstmal, ins Land einzureisen, ohne ein Visum zu haben. Irgendwie spricht niemand Englisch. Auch die Dame im Transitbereich, wo ich dann hinmusste, nicht. Sehr knappe, direkte Kommunikation hier. Da bringen mir nicht mal meine geringen Russisch-skills etwas, wenn sowieso keiner Bitte, Danke und Hallo sagt.

Im Transit treffe ich die Amerikanerin aus dem Flugzeug wieder und wir beschließen, etwas Essen zu gehen. Wir essen also, unterhalten uns, erkunden den kleinen, leider nicht klischeehaft russischen Flughafen und sie kauft sich einen Magneten von Putin, wie er auf einem Bären reitet (bei Interesse meldet euch einfach bei mir, ich kann auf dem Rückflug auch Putin-T-Shirts und Magneten besorgen). Wir sitzen noch etwas auf dem Boden rum, was auch schon einige Blicke erntet, und beobachten die Leute ein bisschen. Obwohl der Flughafen aussieht wie jeder andere und wir auch nichts typisch Russisches gegessen haben, kann man jetzt doch nach und nach erkennen, wohin die Leute fliegen. Und mit diesen Leuten sitze ich jetzt im Flugzeug und mannomann, riecht es hier gut. So wie in Dubai! Außer mir ist noch eine Flugbegleiterin blond. Sonst war‘s das. Die Leute gucken zwar, aber starren nicht. Die Amerikanerin ist übrigens noch in Moskau und wartet auf ihren Flug nach Armenien, wo sie Dokumentarfilm(en) unterrichten wird. Sie kam auch gerade von der Berlinale. Mittlerweile gibt es Essen im Flugzeug; das gleiche Cheesesandwich wie auf dem Moskauflug. Es wurden leichte bis moderate Turbulenzen angekündigt und vielleicht wollen die, dass wir währenddessen wenigstens einen vollen Magen haben. Die Angestellten kommen mir ein bisschen angepisst vor, aber ich glaube, das sind sie gar nicht. Ja, und jetzt sitze ich hier auf irgendeinem Platz im Flugzeug zwischen zwei Tadschiken und fühle mich eigentlich ganz wohl. Es ist ein bisschen eng hier, die Sitze sind wie durchgehende Bänke, die nur durch Armlehnen abgetrennt werden, man hält nicht viel von der Armlänge Abstand und chillt sein Leben. Einige Leute schlafen. Der Typ links von mir guckt soap-operas auf YouTube, wenn er nicht gerade seine eigenen Selfies bewundert und der Typ auf der rechten Seite wundert sich, was die blonde Nicht-Russin da macht. Es wird wieder Tee im Flugzeug verteilt, alle reden Russisch oder Persisch und es ist sehr sehr unwirklich, hier zu sein. Vielleicht sollte ich auch schlafen, damit ich nicht ganz so fertig bin, wenn ich ankomme. Die ganzen Eindrücke müssen ja auch irgendwann mal verarbeitet werden. Jetzt hat der Typ links eine App offen, die immer eine Zahl höher geht, wenn er auf den Bildschirm tippt. Er ist schon bei 323. Oh, und jetzt wieder bei 1? Komisch.

Man weiß ganz schön wenig über Russland, haben wir uns vorhin gedacht. Und über Armenien und Tadschikistan irgendwie gar nichts. Man hat ja wahrscheinlich auch noch nie einen Menschen aus Tadschikistan getroffen.

Kurz bevor ich entscheide, es mit dem Schlafen zu versuchen, geht mir durch den Kopf, wie wohl meine Ankunft wird, wie es dort aussieht und wo ich wohnen werde. Aber das ist eine andere Geschichte.

Lena

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