Fortsetzung von Babuschkas kulinarischer Kunst

Wir saßen also zu dritt am Tisch und haben gegessen und mit dabei war ein altes Deutsch-Russisch/Russisch-Deutsch Wörterbuch. Das war unglaublich hilfreich und wir haben erst mal alle Familien- und Herkunftsverhältnisse (unter anderem anhand meines Fotobuchs, das ich zum 18. Geburtstag bekommen habe und das jedes Jahr meines Lebens auf einer Doppelseite darstellt) geklärt und ich habe gelernt, wie ich sage, dass ich satt bin. Und natürlich, dass es gut geschmeckt hat. Sie freuen sich immer so, wenn ich was auf Russisch sage. Ich habe auch schön von Mama gegrüßt und sie grüßen übrigens zurück!

Irgendwann kam Madina dazu und ich wollte noch ein Foto machen. Dafür musste Babuschka aber noch schnell ins Bad und sich einen anderen Pullover anziehen, die Süße. Wir haben also das Foto gemacht, das ich bei besserem Internet mal hochladen werde. Danach sind wir mit dem Auto, nun bei Tageslicht, aber immer noch ohne Sicherheitsgurt, ins Zentrum gefahren. Und wow, Leute! Man kann hier überall die schneebedeckten Berge sehen. Im Norden ziemlich nah und im Süden ziemlich weit weg, aber ganz schön hoch. Laut Wikipedia noch nicht der Hindukusch, aber dicht dran! Tadschikistan besteht übrigens zu 94% aus Gebirge.

Und es gibt viele schöne Gebäude und Statuen und Flaggen und Wappen und viele Lichter, Moscheen, die Universität ist riesig, der Sportkomplex ist riesig und es laufen überall Leute herum. Einfach so über die Straße oder am Straßenrand. Außerdem viele schwarze Fellmützen.

Am Museum steigen wir aus dem übrigens grünen Opel, um dann aber festzustellen, dass es samstags nur bis 16 Uhr geöffnet hat. Also laufen wir bei Nieselschnee durch den angrenzenden Park, in dem im Sommer dort bunte Blumen blühen, wo jetzt Kohl wächst. Das Museum ist eine alte Festung von Alexander von Mazedonien. Es gibt auch noch ein Mausoleum des Staatsgründers und man kann das Kästchen mit seiner Asche bewundern. Der ganze Park ist sehr liebevoll angelegt und Madina ist sehr erstaunt, dass ein „Park“ in Deutschland nur aus grüner Wiese besteht.

Am Rande des Flusses schauen wir noch ein paar Bronzeköpfe wichtiger tadschikischer Persönlichkeiten an, von denen ich aber leider keine kenne – shame on me. Langsam wird uns kalt und auf dem Rückweg zum Auto fragt die Mama mich, ob ich Hunger habe. Weil ich nein sage, gehen wir also Schaschlik essen. Den bestellt man auf der Straße bei einem Typen mit Kühltruhe und Grill und geht dann rein ins Restaurant, das in einem Zwischenflur Waschbecken zum Händewaschen hat. Im Restaurant läuft tadschikische und russische Musik, die Sitzbänke sind so wie booths in Amerika und werden durch japanische Stellwände abgetrennt. Einige Tische sind sogar zum Gang mit einer mobilen Stellwand verbaut, sodass man da drin wirklich seine Ruhe hat. Zum Schaschlik gibt es Brot und Zwiebeln und ein „Winigret“ aus Tomaten und Gurken. Es schmeckt unglaublich gut, ist aber auch schön fettig und haut ganz schön rein. Die Reste nehmen wir mit nach Hause, wo Babuschka schon wartet. Ich bin anschließend noch ein bisschen auf Facebook unterwegs, das bis dahin noch verfügbar war. Inzwischen ist es weg. Auf die Frage, ob es Facebook und Instagram in Tadschikistan gibt, haben bis jetzt ja alle mit nein geantwortet. Meine Schwester sagt ja und als ich fragend gucke, meint sie nur „mit Programm!“ zwinker zwinker. Da ist der Präsident voll stolz, dass er die bösen Ami-Seiten sperrt, aber letztendlich kümmert das keinen.

Später gibt es wieder Tee mit Brot und Marmelade und Süßigkeiten und „Kuschet, kuschet“. Ich hatte übrigens schon nach meiner Ankunft morgens geduscht und beim Fönen erstmal eine schöne Rauchentwicklung im Fön beobachten dürfen, upps. Der Gestank ist rausgelüftet und der Fön geht wieder. Trotzdem riecht es überall nach Osterfeuer, weil hier viele Leute mit Holz heizen. Ich stelle mir vor, dass es in der DDR auch so gerochen hat. Abends gucken wir noch Fernsehen, aber ich verstehe nur beim Teleshopping etwas, weil die selben billigen Produkte auch in Deutschland von genervten Moderatorinnen als überaus hochwertig und stark reduziert an wehrlose Kundinnen verscherbelt werden. Babuschka fährt voll auf Extrasense ab, eine russische Sendung mit Telepathie oder so. Außerdem gucken wir noch ein paar Fotoalben an und ich lese aus Kinderbüchern vor.

Und abends gehe ich schlafen. Ich war total müde, aber um 3 denkt mein Körper, mein Mittagsschlaf sei vorbei. Ich hatte mir halt in Deutschland einen super Schlafrythmus angewöhnt, der sich jetzt bei 4 Stunden Zeitunterschied umso mehr bemerkbar macht. Nach zwei Stunden schlafe ich dann ein, nur um gerädert um 9 von Madina geweckt zu werden. Weil Sonntag ist, gibt es Pfannkuchen (norddeutsche Pfannkuchen; für alle anderen Eierkuchen) zum Frühstück.

Der Papa kommt vorbei und tauscht meinen Reisepass gegen mein Handy ein. Gut, hätte man in Deutschland jetzt auch nicht so gemacht. Da gehört ganz schön viel Vertrauen dazu. Ich habe auch nicht zu 100% verstanden, was er damit vorhatte, aber es ging um Internet und eine SIM-Karte. Eine Stunde später hatte ich dann auch endlich eigenes Internet. Weil es kein WLAN gibt, war ich vorher nur mit dem Hotspot der Mama in Internet.

Um 11 sind wir zu einem 16. Geburtstag von einer Klassenkameradin eingeladen. Ich hab zugesagt und dann erst überlegt, wie gut die Idee war. Meine Schülerinnen, viel jünger als ich, sprechen nur Russisch und mittendrin halt ihre „alte Lehrerin“. So schlimm wars dann aber gar nicht. Wir wurden zur Bushaltestelle gebracht, wo sich alle Freundinnen getroffen haben und sind dann zu Fuß zu dem Haus gegangen. Und Haus ist wohl der falsche Ausdruck – ein Anwesen! So wie in Dubai die Häuser der ganz Reichen aussahen. Zum Haus gehört noch ein großer Hof und drinnen hängen Gemälde, vieles ist vergoldet, es gibt Kronleuchter, einen ultra Hightech Massagesessel, der sogar die Füße und Arme knetet (war super) und das Haus ist einfach enorm. Und die Tafel, an der wir gegessen haben, erst Recht. Ganz viele Glasschüsseln mit Essen und Süßkram, die wie Pokale auf dem langen Tisch unter dem Kronleuchter stehen. In den Vitrinen auch nur Glas und Porzellan und ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Und weil eh alle Russisch sprechen, sage ich auch nichts. Das Essen ist super. Zwischendurch werden bestimmt 2000 Selfies gemacht, jedes Lied aus der Playlist wird drei Mal angespielt und mehrere Filme, die offensichtlich von russischen Websites stammen und im Kino mitgefilmt wurden, werden bruchstückartig angeguckt. Man zeigt mir Bilder von einer Deutschlandreise und alle freuen sich. War halt doch ein 16. Geburtstag und mir war leider ein bisschen langweilig. Aber das Haus war krass!

Der Rückweg zur Bushalte führt wieder über matschige Schlaglöcher. An der Haltstelle fahren mehrere weiße Transporter mit teilweise deutscher oder litauischer Aufschrift vorbei und in Deutschland hat man Angst vor denen, vor allem wenn die in dem kleinen Waldstück auf dem Weg zur Schule stehen. Hier sind das aber Marschrutkas, also Kleinbusse, die tausendfach die ganze Zeit auf vielen Linien fahren. Man winkt sie zu sich, steigt ein. Ein Mann steht an der Schiebetür und ruft, ob noch jemand fahren möchte und im Losfahren macht er dann die Tür wieder zu. In so einer Marschrutka sind immer so zwischen 5 und 30 Leuten und jeder zahlt für eine Fahrt 1 Somoni (10 Cent). Wir fahren fast bis nach Hause und müssen nur noch ein Stückchen gehen.

Ich bin ziemlich müde und schlafe erstmal ein bisschen beim Fernsehen ein. Es gibt wieder Tee und Süßigkeiten und ich helfe Madina bei einem Deutschprojekt. Und dann holt sie ihre Gitarre und bringt mir ein bisschen was bei, yey. Wir reden noch ein bisschen und dann ist Nachtruhe.

Morgen folgt dann der Bericht zum ersten Praktikumstag.

 

Bis dahin,
Lena

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Kommentare: 1
  • #1

    Mama (Montag, 20 Februar 2017 20:25)

    Hey Lena,
    Du schreibst wieder Blog !!!
    Habe eben mit großem Interesse von deiner Reise in eine andere Welt
    und von deinen ersten Eindrücken in Tadschikistan gelesen.
    Danke :)
    Freue mich schon auf den nächsten Bericht.
    Liebe Grüße