NAVRUZ!

Am Montag war dann also Navruz. Offiziell wird das persische Neujahr immer am 21.3., also dem Frühlingsanfang gefeiert. Da das aber ein schulfreier Feiertag ist, haben wir die Feierlichkeiten in der Schule auf Montag verschoben. Was heißt wir? Ich hab da gar nichts entschieden. Und ich hab auch gar nicht mitbekommen, wie viel Arbeit hinter all der Organisation steckte.

Letzte Woche hatte ich mit Madina schon ein traditionelles Outfit für mich besorgt und einen Mantel mit „Atlas“, dem ach so wichtigen Stoff, den alle tragen, hatte ich auch schon. Sonntagabend wurde mir dann auch eine traditionelle Mütze rausgesucht und tausende hohe Schuhe wurden mir vorgeführt. Die hab ich dann anprobiert, aber mich eh für meine mitgebrachten flachen entschieden. Ich hätte doch gar nicht laufen können. Montag mussten wir dann richtig früh aufstehen, weil die Schule schon um 8 beginnt. Das ist jetzt der neue Stundenplan für den Sommer. Die Marschrutka ließ auf sich warten und mir war schon etwas kalt. Irgendwann waren wir dann in der Schule und fast alle Mädels hatten traditionelle Kleidung an. Meistens sind das ein unterschenkellanges Kleid und eine weite Hose im gleichen Stoff. Dann noch eine Mütze im gleichen Muster dazu und perfekt ist der tajik style. Die Jungs hatten ihre normale Schuluniform an und einige wenige einen langen Mantel mit einem Atlas-Gürtel. Es war eigentlich ein grauer Morgen, aber durch all die Farben und die langsam blühenden Bäume sah alles ganz anders aus. Alle freuten sich über mein Outfit und gegen neun fing dann auch die Feierlichkeit an. Wir VIPs, also die Deutschen nahmen Platz auf dem großen Bett – wir wissen nicht, wie das heißt. Es sieht halt aus wie ein übergroßes Bett, aber ist sozusagen Sitzfläche und Tisch gleichzeitig. Wir saßen da auf jeden Fall anderthalb Stunden lang bei ungefähr 10 Grad und staunten über die Show. Es gab viel Musik und es wurde viel getanzt (also Tanzaufführungen) und Traditionen vorgestellt. Es gab ein paar Lieder und ein Theaterspiel. Aber vor allem viel traditionelle Musik und Tänze. Das war wirklich beeindruckend, denn in Deutschland (ich mein damit jetzt meine ehemalige Schule, so wie ich sie damals empfunden hab) hätte das niemand gemacht. Zwischendurch wurden auch die Sportler und Sportlerinnen der Schule geehrt. Und alle hatten ihre Medaillen um den Hals, also alle, die sie in ihrer Karriere bekommen haben. Ich finde es voll schön, dass die Schule so stolz auf solche Leistungen ist.

Am Ende der Veranstaltung gab es dann eine kleine Modenschau, in der alle Mädels ein Mal ihre Tracht vorführen sollten. Da saß ich da also halb eingefroren in der Kälte und plötzlich kommt meine Kollegin zu mir und meinte, es gäbe den Wunsch, dass ich als Letzte laufe. Ey, ich. Natürlich konnte ich mich nicht wehren und wurde dann für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr gefeiert und bejubelt, als ich dann tatsächlich gelaufen bin. Aber irgendwie war es auch schön. Ich mag die Schule wirklich sehr.

Am Ende wurde dann noch getanzt, wir haben noch etwas gegessen und ich bin dann völlig erledigt um 12 nach Hause gefahren. Traditionell muss es zu Navruz 7 Speisen mit „S“ und 7 Speisen mit „Sch“ geben. Eine davon haben wir dann gegessen. So wie man hier halt isst. Jeder hat seine eigene Gabel, aber es gibt nur einen Teller. Kein Wunder, dass wir alle ständig krank sind.
Zu Hause musste ich dann erstmal schlafen. Ich war komplett reizüberflutet und zudem ja auch durchgefroren. Eigentlich war mir nicht so kalt, aber trotzdem tat alles weh.

Es gab dann noch eine Suppe und wir machten uns (jetzt umgezogen in normaler Kleidung) zurück in die Schule, wo die elfte Klasse eine Party veranstaltet hat. Sie haben die Kantine komplett abgedunkelt und von Tischen befreit. Eine richtige Musikanlage wurde aufgebaut und es wurde zu richtig lauter, guter Musik getanzt. Und es haben wirklich fast alle getanzt und richtig gefeiert. Richtig cool! Zwischendurch gab es noch zwei Mal Essen und Trinken und sonst wurde fast die ganze Zeit getanzt. Viel „normale“ elektronische Diskomusik und Remixe, aber auch traditionelle tadschikische Lieder und auch ein paar deutsche. Es ging richtig ab und es hat echt Spaß gemacht, einfach mal mit denen zu feiern, mit denen man sonst „Unterricht“ macht. So richtig als Lehrerin sehe ich mich sowieso nicht. Und wenn gerade nicht getanzt wurde, haben wir rumgesessen und uns unterhalten. Die zehnte und elfte Klasse mag ich halt echt am liebsten, weil man mit denen schon wirklich reden kann. Die kleinen sind zwar süß, aber meistens auch sehr anstrengend.

Außerdem wurde Sumalak zubereitet, eine zentralasiatische Süßspeise aus Weizen. Dazu wird etwa 24 Stunden lang in einem großen Topf überm Feuer Wasser mit dem Weizenzeug verrührt und gekocht. Es muss die ganze Zeit gerührt werden und wenn man rührt und dabei ein Kopftuch trägt, darf man sich etwas wünschen. Am nächsten Morgen wurde der Sumalak dann verteilt. Die elfte Klasse hat in der Schule geschlafen und ein paar Leute sind extra nochmal wiedergekommen.

Ich hab aber lieber zu Hause geschlafen. Natürlich wollten die Schüler, dass ich bleibe, aber ich habe gesagt ich bin alt und kann nicht.

Heute hab ich dann ausgeschlafen und war nachmittags mit den anderen Freiwilligen im schaschlikverrauchten Stadtzentrum. Wir sind herumgelaufen, haben die farbenfrohen Massen beobachtet, haben Schaschlik gegessen und haben dann nach einem gescheiterten Versuch, in ein anderes Dorf zu fahren, die Lenin-Statue nochmal besucht. Der Freizeitpark dort machte letztes Mal zwar den Anschein verlassen zu sein, und der Tüv würde das sicherlich auch empfehlen, aber heute liefen die Fahrgeschäfte und die Schiffsschaukel und es war ordentlich was los.

Und jetzt sitz ich – Überraschung – zu Hause am Laptop, draußen regnet es ziemlich dolle, ich gucke Russisches Fernsehen, in der Hoffnung, dass ich dadurch besser Russisch lerne. Es kommt gerade sowas wie „Britt“, also Leute, die sich anschreien und beschimpfen. Oha, und die haben alle ziemlich schlechte Zähne. Könnte glatt Tadschikistan sein, denn hier hat auch jeder mindestens einen Goldzahn.

Genießt die Bilder und bis bald,

 

Lena

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