Ein Abschluss

Assalom und Priviet liebe im Stich gelassene Leser. Newsflash: Ich bin wieder in Deutschland. Schon seit mehr als einer Woche, aber trotzdem muss ich mich vor allem nach dem Aufwachen noch oft orientieren, bis ich mitbekomme, dass ich nicht mehr in Tadschikistan bin. Und daran, dass ich mal da war, werde ich durch sämtliche Mitbringsel und Nachrichten auf Facebook, Whatsapp und Viber aus Tadschikistan zum Glück noch täglich erinnert.

Ob sich was in Deutschland verändert hat, wage ich mal nicht zu behaupten, aber wie das nach jeder Reise so ist, findet man immer wieder andere Dinge und Bräuche, die man dann plötzlich doch hinterfragt. Oder die einem erst mal auffallen. Das ist ja natürlich auch immer relativ, also kommt darauf an, wo man war. Trotz sämtlicher wissenschaftlicher Kulturvergleiche und Reiseführer, die einem die Kultur „beschreiben“, denke ich, dass das immer individuell ist. Jeder Mensch hat ja einen anderen Ausgangspunkt und Dinge, die er oder sie kennt. Und die sind dann der Ausgangspunkt für alle Vergleiche mit dem Unbekannten und daraufhin leider auch oft für Bewertungen. Um das mal an einem Beispiel zu verdeutlichen (zu versuchen): Zurück in Berlin, nach 9h im Flugzeug und einer überraschenden Zwischenlandung in der Russischen Taiga ziehe ich meinen liebevoll in Plastikfolie gewickelten Koffer aus dem internationalen Bereich, über die Zollgrenze, hinein in den Flughafen Tegel. Da stehen viele Leute, ähnlich wie bei meiner Ankunft in Chudschand. Aber dahinter sitzen unglaublich viele zu korpulente Menschen auf viel zu kleinen Stühlen in einem überfüllten Fast-Food-Restaurant und sprechen mit ihren mit Burgern und Pommes vollgestopften Mündern Deutsch.

Mir war das so ein fremdes Bild. Das hatte ein bisschen einen Hauch von „Zivilisation“ und Verwestlichung, amerikanisches Klischee in Deutschland. Natürlich gibt es in Tadschikistan auch übergewichtige Menschen, aber bei „Taj Burger“ war nie so viel los, obwohl alles aus dem Westen ja eh ein Trend war. Nach Amerika wär mir dieses Restaurant ja nicht aufgefallen, weil ich das von dort gewohnt war. Aber jetzt eben. In Tadschikistan herrschte auch ein viel zu perfektes Bild von Deutschland und irgendwann vergisst man auch ein paar Dinge. Perfektes Bild, weil alle unbedingt in Deutschland studieren möchten und denken, es sei der Himmel auf Erden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das war jetzt also etwas, was ich in Deutschland gelernt habe. Und den treuen Stalkerinnen und Stalkern schießt jetzt mein Eintrag zu „Was ich bis jetzt gelernt habe“ und „Was ich noch nicht gelernt habe“ ins Bewusstsein. Und den würde ich jetzt gerne ausbauen.

Ich zitiere und nummeriere:

  1. "Wann grüße ich jemanden auf Tadschikisch und wann auf Russisch?
  2. Was tue ich, wenn in der Schule mal wieder das Chaos ausbricht, alle auf Tadschikisch durcheinander reden und in der Fünf-Minuten-Pause eine Lehrerkonferenz einberufen wird?
  3. Russisch und Tadschikisch
  4. Die Namen der Schülerinnen und Schüler (Dschahongir, Schachnoza und Co.)
  5. So spontan sein wie alle Einheimischen
  6. Was ich noch nicht realisiert habe: Dass ich hier bin.“

Zu 1.: Das war im Grunde genommen egal, ob ich auf Tadschikisch oder Russisch grüße. Dass ich Ausländerin bin, sieht man eh. Dann vermutet man immer, dass ich eher Russisch könnte als Tadschikisch. In manchen Situationen hab ich von Einheimischen aber auch gelernt, dass es ganz auf die Situation ankommt, ob man jetzt den Russen spielt oder den Tadschiken. Dann muss man vielleicht weniger für etwas bezahlen, bekommt keinen Ärger oder das Schmiergeld ist geringer.

Zu 2.: Wenn Chaos ausbricht, mache ich einfach mit dem weiter, was ich vorher gemacht habe oder mache gar nichts. Es ist halt auch kein Stress, wenn der Unterricht mal 10 Minuten zu spät anfängt. Lehrerkonferenzen hab ich vermieden, weil ich offensichtlich eh nichts verstanden habe.

Zu 3.: Hahaha, Tadschikisch kann ich sicherlich nicht. Wenige Wörter, wie: Hallo, Tschüss, Danke, Was kostet das?, einen Somoni, ok, dumm, Stopp, Teehaus, wir gehen, ja, nein und iiiiiiih. Ih bedeutet so ungefähr alles. Nicht nur ekelig, sondern auch „Iiiiih, wie schön!“ oder „Iiih, morgen fliegst du schon nach Deutschland?“. Auf Russisch konnte ich am Ende schon erstaunlich viel verstehen und mir sogar in Moskau selber Essen bestellen. Jede Woche hatte ich das Gefühl, meine Gastfamilie würde anfangen, neue und andere Wörter benutzen, weil mir immer mehr einzelne Wörter aufgefallen sind. Wirklich sprechen kann ich aber nicht. Es ist alles falsch und meine Rechtschreibung ist auch eine Katastrophe. Zum Glück gibt es Autokorrekt auf dem Handy. Und Sprachkurse an der Uni.

Zu 4.: Doch, ein paar Namen hatte ich am Ende dann doch schon drauf. Es kam halt noch dazu, dass es viel zu viele Kinder sind, um sich auch noch alle Gesichter zu den Namen zu merken.

Zu 5.: Dass ich morgens keine Ahnung hab, was ich abends gemacht haben werde (Wow, Futur 2), war schon Normalität. Die Spontaneität bekommt man ein bisschen aufgezwungen, aber wie man damit umgeht, entscheidet, ob es im Nachhinein ein guter oder ein schlechter Tag war, wenn man das denn so kategorisieren will. Man kann sich halt echt über alles Überraschende aufregen und sich Sorgen machen, was wohl passieren wird und währenddessen vergessen, den Moment zu genießen. Am Ende bin ich ja immer gesund wieder nach Hause gekommen. Die kleine Deutsche in mir hat es aber trotzdem noch ganz gerne, ab und zu einen Plan zu haben.

Zu 6.: Doch, irgendwann habe ich realisiert, wo ich bin. Und ich hab wirklich Fernweh. Es gibt noch eine Menge zu sehen und ich werde zurück kommen.

 

Und noch ein paar Dinge, die ich gelernt habe:

  • Ohne Portemonnaie, sondern nur mit Scheinen in der Tasche leben, die alle in der Mitte gefaltet (und durch Tesafilm/Scotch vorm Zerreißen bewahrt werden) und zusammengesteckt sind.
  • Sonnenblumenkerne knacken
  • Als Gastgeberin entschuldigt man sich beim Abschied für alle eventuellen Beleidigungen.

Also sorry, und danke fürs Lesen. Und hier sind noch ein paar Bilder:

 

Und damit wäre das Speicherplatz-Limit für diesen Blog auch schon erreicht. 

Höchste Zeit, einen neuen Blog einzurichten, sollte ich mal wieder eine Reise machen.

Wir sehen uns dort!

Lena

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